In den 1950er- und 1960er-Jahren standen Computer isoliert in Rechenzentren. Jeder nutzte eigene Formate und Systeme, Datenübertragung war kompliziert. Doch Forscher erkannten das enorme Potenzial, Maschinen miteinander kommunizieren zu lassen. Die Vision: Informationen sollen überall verfügbar sein, unabhängig von Ort oder Gerät.

Eine der treibenden Kräfte war der US-Informatiker J.C.R. Licklider vom MIT. Er träumte früh von einer „Galactic Network“, einem globalen System aus Computern, das Wissen teilt – eine Idee, die Jahrzehnte später Realität werden sollte.

Kalter Krieg und ARPANET: Militärische Wurzeln des Internets

Die eigentliche Geburtsstunde des Internets schlug 1969 mit dem ARPANET – einem Projekt der amerikanischen Verteidigungsbehörde ARPA (Advanced Research Projects Agency). Ziel war, ein robustes Kommunikationsnetz zu schaffen, das auch nach einem Atomschlag funktionsfähig blieb.

Die Grundidee war revolutionär: Statt einer zentralen Steuerung setzte man auf dezentrale Strukturen. Informationen wurden in kleine Datenpakete zerlegt, die unabhängig voneinander ihren Weg durchs Netz fanden – die sogenannte Packet Switching-Technologie. Selbst wenn einzelne Knoten ausfielen, blieb der Rest des Netzes intakt.

Am 29. Oktober 1969 wurde die erste Internetverbindung zwischen der UCLA (University of California, Los Angeles) und dem Stanford Research Institute hergestellt. Die Ingenieure wollten das Wort „LOGIN“ übertragen. Nach den Buchstaben „L“ und „O“ stürzte das System ab – ein legendärer Moment: Das erste Wort im Internet war schlicht „LO“ – wie eine Begrüßung an die Zukunft.

Technische Meilensteine: TCP/IP, Router und E-Mail

In den 1970er-Jahren entwickelten Vinton Cerf und Robert Kahn das Protokoll TCP/IP, das bis heute die Grundlage des Internets bildet. Es standardisierte, wie Datenpakete verpackt, adressiert, übertragen und wieder zusammengesetzt werden. 1983 wurde TCP/IP zum offiziellen Standard des ARPANET – das „Internet“ war geboren.

Fast zeitgleich entstanden andere Schlüsseltechnologien: Router übernahmen die Weiterleitung von Daten, DNS vereinfachte die Adressierung, und mit der E-Mail wurde eine der ersten Killer-Apps des Netzes erfunden. Der Ingenieur Ray Tomlinson wählte damals das „@“-Zeichen, um Benutzername und Host zu trennen – eine Entscheidung, die die digitale Kommunikation bis heute prägt.

Tim Berners-Lee und das World Wide Web

Während das Internet wuchs, blieb es zunächst eine Domäne von Forschern und Universitäten. Es fehlte eine einfache Möglichkeit, Informationen zu finden und zu verknüpfen. Genau hier kam Tim Berners-Lee ins Spiel – ein britischer Physiker und Informatiker, der Ende der 1980er-Jahre am CERN arbeitete.

„Das Web ist für alle da.“ – Tim Berners-Lee

Berners-Lee entwickelte ein System, das Dokumente über sogenannte Hyperlinks miteinander verband. 1989 schlug er offiziell ein „vernetztes Informationssystem“ vor – das World Wide Web. Dazu erfand er gleich mehrere Grundlagen, die wir heute selbstverständlich nutzen:

  • HTML (Hypertext Markup Language) – die Sprache des Webs
  • HTTP (Hypertext Transfer Protocol) – das Kommunikationsprotokoll
  • URL (Uniform Resource Locator) – die einheitliche Webadresse

1991 stellte Berners-Lee das World Wide Web der Öffentlichkeit zur Verfügung. Damit wurde das Internet plötzlich zugänglich – für jedermann, überall. Aus einem Forschungsnetz wurde ein Kommunikationsraum für die ganze Welt.

Die 1990er-Jahre: Vom Mosaic-Browser bis Google

Das WWW verbreitete sich in atemberaubendem Tempo. 1993 erschien der erste grafische Webbrowser Mosaic, entwickelt von Marc Andreessen und Eric Bina. Kurz darauf gründete Andreessen Netscape – und das Internet wurde zum Massenphänomen.

Neue Dienste wie Yahoo! (1994), Amazon (1995) und Google (1998) veränderten das Netz grundlegend. Das Web wurde zur wirtschaftlichen Triebkraft und zum kulturellen Motor der Globalisierung. Innerhalb weniger Jahre entstanden Millionen von Webseiten, und Begriffe wie „Surfen“ oder „Homepage“ wurden Teil des Alltags.

Auch die Dotcom-Ära brachte Euphorie und Ernüchterung zugleich. Viele Internetfirmen schossen wie Pilze aus dem Boden – und verschwanden nach dem Platzen der Blase Anfang der 2000er wieder. Doch die Grundpfeiler des modernen Webs blieben bestehen.

Vom Web 2.0 zum Internet der Dinge

Mit dem Aufkommen sozialer Netzwerke und mobiler Geräte begann ab etwa 2005 die Ära des Web 2.0. Nutzer wurden zu Produzenten: Sie schrieben Blogs, teilten Fotos und Videos, kommentierten und vernetzten sich global. Plattformen wie Facebook, YouTube oder Twitter machten das Netz sozial, interaktiv – und politisch einflussreich.

Heute leben wir in einer neuen Phase: dem Internet of Things (IoT). Milliarden Sensoren und Geräte sind miteinander verbunden – vom Auto über die Heizung bis zum Kühlschrank. Das Netz ist unsichtbar, allgegenwärtig und durchdringt zunehmend alle Lebensbereiche. Gleichzeitig wächst die Verantwortung, Datenschutz, Sicherheit und digitale Ethik zu bewahren.

Fazit: Vom Forschungsprojekt zur Lebensader der Menschheit

Was 1969 mit einem fehlgeschlagenen „LOGIN“ begann, hat sich zur wichtigsten Infrastruktur unserer Zeit entwickelt. Das Internet verbindet Menschen, Märkte, Maschinen und Ideen – schneller, globaler und demokratischer als jede Technologie zuvor.

Doch die Geschichte des Internets ist mehr als nur Technik. Sie ist eine Geschichte von Kooperation, Offenheit und Kreativität. Ohne Visionäre wie J.C.R. Licklider, Vinton Cerf, Robert Kahn und vor allem Tim Berners-Lee gäbe es kein Web, keine sozialen Medien und keine digitale Wirtschaft.

Berners-Lee selbst kämpft bis heute für ein freies und offenes Internet. Mit seiner Initiative „Contract for the Web“ ruft er Regierungen, Unternehmen und Nutzer dazu auf, die Grundwerte des Netzes – Zugänglichkeit, Neutralität und Transparenz – zu schützen. Denn die Geburt des Internets war erst der Anfang. Seine Zukunft wird davon abhängen, wie wir diese Werte bewahren.

Autor: Jens

Dr. Jens Bölscher ist studierter Betriebswirt mit Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik. Er promovierte im Jahr 2000 zum Thema Electronic Commerce in der Versicherungswirtschaft und hat zahlreiche Bücher und Fachbeiträge veröffentlicht. Er war langjährig in verschiedenen Positionen tätig, zuletzt 14 Jahre als Geschäftsführer. Seine besonderen Interessen sind Innovationen im IT Bereich.