Feststoffbatterien gelten seit Jahren als „nächster großer Schritt“ für Elektrofahrzeuge. 2025 verdichtet sich das Bild: Mehrere Hersteller testen großformatige Zellen in Fahrzeugen, bauen Lieferketten für Festelektrolyte auf oder melden Produktionsmeilensteine in der Separatorfertigung. Besonders aktiv sind Toyota/Idemitsu (Sulfid-Festelektrolyt), BMW/Solid Power (ASSB-Fahrzeugtest), QuantumScape (Keramik-Separator im „Cobra“-Prozess), ProLogium (Lithium-Keramik, neue Fabrik in Dunkerque) und Nissan (Pilotlinie Yokohama, Serienziel Ende der Dekade).

Warum Feststoff? Der Praxisnutzen hinter dem Buzzword

  • Höhere Energiedichte durch Lithium-Metall-Anoden: mehr kWh im gleichen Bauraum → spürbar längere Reichweiten oder leichtere, effizientere Packs.
  • Schnellere Ladung, weil der Festelektrolyt höhere Stromdichten und Temperaturen verträgt – praktisch relevant vor allem bei 10–80 % SoC.
  • Sicherheitsplus: Keramische/anionische Elektrolyte sind nicht brennbar; Separatoren sind mechanisch stabiler, was Zelle-auf-Zelle-Sicherheit verbessert.

Diese Vorteile hängen von der jeweiligen Chemie (Sulfid vs. Oxid/Keramik vs. Polymer), vom Separatorprozess und – ganz wichtig – von der Grenzflächenstabilität (Dendriten). Genau an diesen Punkten wird derzeit industrialisiert.

Wer ist 2025 „nah dran“? – Der Status der wichtigsten Player

Toyota + Idemitsu: Lieferkette für Sulfid-Festelektrolyt, SOP-Korridor 2027–2028

Toyota und Idemitsu arbeiten seit 2023 offiziell an der Kommerzialisierung von All-Solid-State-Batterien (ASSB) und am Aufbau einer Sulfid-Festelektrolyt-Lieferkette. Der kommunizierte Zeitkorridor für erste Serienfahrzeuge: 2027–2028.

Konkrete Industrialisierungsschritte 2025: Idemitsu baut am Raffineriestandort Chiba eine großskalige Li₂S-Fabrik (Lithiumsulfid, Schlüsselvorprodukt für Sulfid-Elektrolyte), Fertigstellung bis Juni 2027. Das Projekt ist auf Kapazitäten ausgelegt, die den Anlauf von Zehntausenden Fahrzeugen pro Jahr ermöglichen – ein starkes Signal, dass es nicht bei Labor-/Pilotmengen bleiben soll.

Zu den häufig zitierten Ladezeit-Zielen: Toyota bzw. Medienberichte nannten für Feststoff-BEVs „≈10 Minuten“ bis 80 % SoC; offiziell kommuniziert Toyota in seinen Investorunterlagen für nächste Batterie-Generationen aber auch konservativere Zielkorridore (z. B. ≤ 20 Min 10–80 %, abhängig von Chemie/Generation). Realistisch ist: frühe Serien werden stark vom Thermomanagement und Zellformat abhängen.

BMW + Solid Power: i7 mit All-Solid-State-Zellen im Straßentest

Am 20. Mai 2025 meldete die BMW Group den Start von Fahrzeugerprobungen: Ein i7 fährt in und um München mit großformatigen ASSB-Zellen von Solid Power. Für die Branche ist das ein Meilenstein, weil Zellformat, Zellzahl und Fahrzeugintegration neue Skalierungsfragen beantworten. Nächste Schritte sind V-Erprobung und OEM-Qualifizierung in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts.

QuantumScape: Separator-Durchbruch („Cobra“) im Baseline-Betrieb

Der kritische Pfad bei Lithium-Metall-Feststoffzellen ist der keramische Separator. QuantumScape meldete im Juni 2025, den „Cobra“-Prozess für Separatoren in den Baseline-Production-Modus überführt zu haben – ein zentrales Industrialisierungsziel 2025, das Fertigungstakt und Yield verbessern soll. Analysten bleiben bei Zeitplänen vorsichtig, doch die Prozessreife ist ein deutliches Reifestadium Richtung B-/C-Samples und OEM-Freigaben.

ProLogium: Lithium-Keramik & Fabrik in Dunkerque (Start 2027, stufenweiser Ramp-up)

ProLogium verfolgt Lithium-Keramik-Zellen und baut in Dunkerque (Frankreich) eine Großfabrik mit Produktionsbeginn 2027, initial 2–4 GWh, moderater Ramp-up je nach OEM-Nachfrage (Zielausbau bis 2032). TÜV-verifizierte Kenngrößen der Zellchemie zeigen sehr hohe volumetrische Energiedichten, was die Attraktivität für Reichweiten-/Gewichtsvorteile unterstreicht.

Nissan: Pilotlinie in Yokohama, Serienziel Anfang 2029

Nissan zeigte 2024 Medien seine im Bau befindliche ASSB-Pilotlinie im Werk Yokohama und bekräftigte den Plan, ab frühem Kalenderjahr 2029 Fahrzeuge mit All-Solid-State-Batterien in Serie zu bringen (interne Zielmarke: operative Pilotlinie bis FY2025, dann Skalierung). Damit positioniert sich Nissan neben Toyota als zweiter japanischer OEM mit klarer Serien-Roadmap.

Was bedeutet das auf der Straße? – Reichweite, Ladezeit, Sicherheit

1) Reichweite: Mehr kWh im gleichen Bauraum

Mit Lithium-Metall-Anode und dünnen, stabilen Separatoren steigen Pack-Energiedichten deutlich. Seriöse Spannen liegen – je nach Chemie – bei +40 % bis +80 % gegenüber heutigen Li-Ion-Packs vergleichbarer Fahrzeugklasse. Konkrete, verifizierte Referenzwerte liefert u. a. ProLogium (TÜV-Rheinland) mit ≈812 Wh/L (volumetrisch) auf Zellebene – ein Hinweis, dass Oberklasse-BEVs künftig 80–100 kWh bei ähnlichem Bauraum tragen könnten, oder umgekehrt bei gleicher Reichweite Gewicht sparen.

2) Ladezeit: „10 Minuten“ sind möglich – aber kontextabhängig

Die oft zitierten „10 Minuten“ beziehen sich in der Regel auf 10–80 % SoC und setzen ein leistungsfähiges Thermomanagement, hohe Ladeleistungen (≥ 300–400 kW) und zellchemische Robustheit voraus. Toyota/Idemitsu und Nissan nennen sehr kurze Ladeziele; zugleich kommuniziert Toyota in offiziellen Dokumenten konservativere Zielmarken wie ≤ 20 Min (10–80 %) – ein Bereich, der für frühe Serien plausibel wirkt. Praxiswerte hängen am Ende stark vom Fahrzeugpaket ab.

3) Sicherheit & Lebensdauer

Festelektrolyte sind nicht brennbar und mechanisch stabiler; das verbessert das Sicherheitsprofil gegenüber Flüssigelektrolyt-Zellen. Die Kehrseite: Grenzflächenwiderstände und Dendriten müssen durch Material/Prozess beherrscht werden – genau hier zielen Prozessinnovationen wie QuantumScapes „Cobra“ oder die Sulfid-Roadmap von Toyota/Idemitsu. Fahrzeugtests (BMW i7) liefern zusätzlich Langzeitdaten im realen Betrieb.

Kommerzialisierungs-Hürden 2025

Fertigung & Yield

Keramische bzw. sulfide Festelektrolyte erfordern homogene, dichte Schichten. Der Sprung von Laborzellen (mAh) zu Autozellen (20–100 Ah) ist die eigentliche Hürde. Fortschritte wie der „Cobra“-Separator sind deshalb so wichtig: Sie erhöhen Takt und Prozessstabilität.

Kosten & Skalierung

Neue Materialketten (z. B. Li₂S) und Spezialanlagen sind teuer. Idemitsu baut deshalb vor – um die Kostenkurve via Volumen zu drücken und eine japanische Lieferkette zu etablieren. Ramp-ups (Dunkerque) werden bewusst gestaffelt, um Nachfrage und Prozessreife zu synchronisieren.

Vergleich: Wer liefert was – und wann?

Unternehmen Technologie-Fokus Nächster Meilenstein Frühester SOP/Kleinserie (Ziel) Bemerkungen
Toyota + Idemitsu Sulfid-Festelektrolyt, Li-Metall Li₂S-Großanlage im Bau (Chiba) 2027–2028 Starke vertikale Integration; Ladeziele teils „≈10 Min“, offizielle Unterlagen nennen auch ≤ 20 Min (10–80 %).
BMW + Solid Power ASSB (Sulfid-Elektrolyt) i7 mit ASSB im Straßentest späte 2020er (OEM-Qualifizierung im Gange) Erste großformatige Zellen im Fahrzeug; Datenbasis für V-/Serienreife.
QuantumScape Keramik-Separator + Li-Metall „Cobra“ im Baseline-Betrieb ab 2026–2027 (OEM-Pfad, abhängig von B/C-Samples) Separator-Fertigung als Dreh- und Angelpunkt der Skalierung.
ProLogium Lithium-Keramik Dunkerque-Fabrik im Bau 2027 (2–4 GWh, stufenweiser Ramp-up) Sehr hohe volumetrische Energiedichte (TÜV); Output zu Beginn limitiert.
Nissan All-Solid-State (ASSB) Pilotlinie Yokohama frühes 2029 (FY 2028/29) Skalierungsfahrplan mit Fokus auf Kosten und Ladezeit; Zielbreite über mehrere Segmente.

Was ist für Käufer realistisch – 3 Szenarien

2025–2026: Sichtbare Tests

Mehr Demofahrzeuge bei OEMs; Zell-/Packdaten unter realen Bedingungen, Fokus auf Ladefenster 10–80 % und Temperaturmanagement (Beispiel: BMW i7 mit ASSB).

2027–2028: Erste Serien

Kleinserien/erste Modelle mit Feststoff-Packs (Toyota/Idemitsu, ProLogium-Kunden, ggf. QS-Partner). Erwartbar: 15–20 Min auf 80 % in frühen Generationen; Reichweitenplus spürbar.

2028–2030: Breitere Verfügbarkeit

Nissan-Start, mehr Segmente, fallende Kosten; Ladezeiten Richtung 10–15 Min bei leistungsfähiger Infrastruktur und ausgereiftem Thermomanagement.

Technik-Deep-Dive: Warum Separator & Elektrolyt die Musik machen

Sulfid-Elektrolyte (Toyota/Idemitsu, Solid Power) sind weich, lassen sich „roll-to-roll“ verarbeiten und bieten sehr gute Ionenleitfähigkeit – aber benötigen ein sauberes Feuchte-/Gas-Management und stabile Grenzflächen zu Kathode/Anode. Keramik/Oxid-Systeme (QuantumScape, ProLogium) punkten bei Temperaturfenster und Sicherheit, verlangen jedoch präzise, spannungsrissfreie Schichten. Der Separatorprozess entscheidet über Yield, Taktzeit und Lebensdauer – entsprechend groß ist die Bedeutung von Produktionsmeldungen wie „Cobra“.

Kostenfrage: Wann wird es bezahlbar?

Die ersten Fahrzeuggenerationen werden teurer sein als heutige NMC/LFP-Packs. OEM-Roadmaps adressieren die Kosten über Skalierung und Materialpfade (z. B. lokale Li₂S-Produktion in Japan, stufenweiser Ramp-up in Europa). Der Lernkurven-Effekt folgt bekannten Mustern aus Li-Ion: Sobald verlässliche Yields erreicht sind und Produktionslinien stabil laufen, sinken €/kWh deutlich. Die Ankündigungen von Idemitsu (Materialversorgung) und ProLogium (Kapazitätsaufbau) zeigen, dass genau diese Engpässe jetzt aktiv aufgelöst werden.

Risiken & offene Punkte

  • Timelines sind Zielbilder. Einige Medienberichte schüren Hype (z. B. „10 Min Voll-Ladung > 700 mi“). Offizielle Dokumente sind oft konservativer; echte Serien-Spezifikationen folgen erst nach OEM-Freigaben.
  • Thermomanagement & Infrastruktur: Ultra-schnelles Laden skaliert nur mit packseitiger Kühlung und DC-Netzleistung (≥ 350 kW), sonst greift das Batteriemanagement früher ein.
  • Degradation im Feld: Auch Feststoffzellen altern – Testflotten (BMW) sollen genau das klären.

Kurzporträts der Vorreiter

Toyota/Idemitsu

Starker Industriemotor: OEM + Materialchampion. Klare Roadmap 2027–2028, paralleler Aufbau der Li₂S-Kette. Fokus: Sulfid-ASSB mit schnellem Ladefenster, robuste Lieferkette „Made in Japan“.

BMW/Solid Power

Technologietransfer seit 2022, 2025 erstes Fahrzeug mit ASSB-Zellen im Alltag – wichtig für Validierung und OEM-Qualifizierung.

QuantumScape

Keramik-Separator als Herzstück; „Cobra“ verschiebt die Fertigungsgrenze Richtung industrielle Takte. Nächster Prüfstein: B-/C-Samples bei OEM-Partnern.

ProLogium

Starker EU-Anker (Dunkerque) mit Start 2027, hohe Volumendichte (TÜV-verifiziert) und Schritt-für-Schritt-Ramp-up.

Nissan

Pilotlinie Yokohama als Brücke zur Serie früh 2029. Ziel: breite Segmente, wettbewerbsfähige Kosten, kurze Ladezeiten.

Was bedeutet das für Reichweite & Ladezeit in der Praxis?

  • Reichweite: In der Mittel-/Oberklasse sind +150–300 km gegenüber heutigen Li-Ion-Packs realistisch – entweder als Reichweitenplus oder als Gewichtsersparnis (gleiche Reichweite, kleineres Pack). Grundlage sind die hohen volumetrischen Energiedichten und Lithium-Metall-Anoden. (Beispieldaten: ProLogium TÜV-Report.)
  • Ladezeit: Frühe Serien dürften eher 15–20 Min auf 80 % sehen; „≈10 Min“ sind ein erreichbares Zielbild, wenn Zellchemie, Kühlung und Ladeleistung zusammenpassen – Toyota/Idemitsu sowie Nissan nennen entsprechend ambitionierte Ziele.
  • Sicherheit & Zyklen: Festelektrolyte verbessern das Brandverhalten. Grenzflächen-Engineering bleibt aber entscheidend für Zyklenfestigkeit – ein Grund, warum OEM-Flottentests (BMW) 2025 so zentral sind.

Takeaways für Strategen & Einkäufer

  1. 2027/28 wird zum Tipping-Point: Mehrere Linien (Elektrolyt/Separator/Zellfertigung) laufen an – die ersten Feststoff-Serienfahrzeuge werden sichtbar.
  2. Lieferketten sichern: Li₂S, Keramikseparatoren, Trockenräume & Inertgasprozesse sind Engpässe. Idemitsus Vorstoß ist Blaupause für andere Märkte.
  3. Thermik früh mitdenken: Wer „10-Minuten-Claims“ im Marketing nutzt, muss Pack-Kühlung, Zellformat und DC-Infrastruktur (≥ 350 kW) liefern.
  4. Kosten sinken mit Yield: Frühphasen sind teurer; mit stabilen Yields folgt die €/kWh-Degression. Ramp-up-Modelle (Dunkerque) sind dafür ideal.

Bottom line: 2025 markiert den Übergang von Labor-Demonstratoren zu fahrbereiten Prototypen und Pilotketten. Toyota/Idemitsu, BMW/Solid Power, QuantumScape, ProLogium und Nissan liefern belastbare Meilensteine. Für Kundinnen und Kunden bedeutet das: ab 2027/28 erste Serienfahrzeuge mit spürbar besseren Reichweiten und ~15–20 Min 10–80 %, mit Potenzial Richtung „≈10 Min“ in ausgereiften Systemen. Die Dekade bis 2030 wird entscheiden, wer Feststoff-Technologie skalierbar beherrscht.

Quellen (Auswahl):

  • Toyota & Idemitsu Kooperations-Ankündigung;
  • Idemitsu Li₂S-Werk (Chiba);
  • BMW Group – i7 mit ASSB von Solid Power im Straßentest; QuantumScape – „Cobra“ im Baseline-Betrieb;
  • ProLogium – Fabrik Dunkerque & TÜV-Daten;
  • Nissan – ASSB-Pilotlinie & Serienziel.
Autor: Jens

Dr. Jens Bölscher ist studierter Betriebswirt mit Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik. Er promovierte im Jahr 2000 zum Thema Electronic Commerce in der Versicherungswirtschaft und hat zahlreiche Bücher und Fachbeiträge veröffentlicht. Er war langjährig in verschiedenen Positionen tätig, zuletzt 14 Jahre als Geschäftsführer. Seine besonderen Interessen sind Innovationen im IT Bereich.